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SCHLUSS
TAURIS oder Catterinas Entjungferung
Ein ahistorischer Roman von Pia Frauss
 

2    Der fürstliche
                        Segen


 
 
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"War sie sehr böse zu Euch?" fragte Don Raffael teilnahmsvoll.

"Die Mühe, die ich mit ihr gehabt habe, vermittelt mir eine annähernde Vorstellung von dem Tanz, den sie dir aufführen wird!" verkündete der Fürst und lächelte boshaft. "Heute morgen hat sie meinen Sekretär nach allen Regeln der Kunst niedergemacht, und heute nachmittag hat sie das gleiche bei mir versucht. Sie hat sich benommen wie ein wildes Tier, das in eine Falle geraten ist und blind um sich beißt. Ein besserer Vergleich fällt mir leider nicht ein — aber dieser ist ganz gewiß zutreffend."

"Wie ich Euch kenne, habt Ihr nichts ungesagt gelassen, was geeignet war, sie zusätzlich zu reizen," äußerte Don Raffael mit echter Besorgnis.

Der Fürst verzog sein Gesicht kunstgerecht zu einer Miene lächelnden Schuldbewußtseins. "Ich fürchte, das habe ich tatsächlich getan," gestand er. "Die Versuchung war auch gar zu groß! Aber, um der Wahrheit die Ehre zu geben — ich glaube nicht, daß sie mir allzuviel schuldig geblieben ist. Ich erinnere mich da an einige Bemerkungen, vor allem über deine Person, die ich ihr nur sehr ungern verzeihe... Sie hat jedenfalls mit allen Mitteln und allen Kräften gekämpft."

"Natürlich seid Ihr Sieger geblieben," sagte Don Raffael und sah seinen Bruder prüfend an.

"Natürlich...! Weißt du, ich bin ziemlich sicher, daß sie eine bemerkenswert loyale Gattin sein wird, wenn du sie jemals davon überzeugen kannst, daß deine Interessen auch die ihren sind. Nur, wie dir das gelingen soll, weiß ich nicht. Denn was immer du für sie tun wirst: sie wird dich mit finsteren Augen betrachten und überlegen, welche eigennützigen Zwecke du dabei verfolgst."

Don Raffael lächelte. "Ganz abgesehen davon, daß sie durchaus im Recht ist, wenn sie so denkt," sagte er, "seht Ihr die Sache zu schwarz. Was Ihr für eine unüberwindliche Schwierigkeit haltet, scheint mir eine der leichtesten Übungen zu sein."

Der Fürst seufzte resignierend. "Nun gut; dies ist ein Gebiet, auf dem du dich besser auskennst als ich. Aber ich habe einfach kein gutes Gefühl bei der Sache, und ich wünschte, du hättest eine andere Lösung gefunden."

"Dann sagt mir, welche!" forderte Don Raffael mit einem Anflug von Ungeduld. "Dies ist die beste, die mir einfiel, und obwohl sie auch mir nicht völlig behagt, sehe ich das Recht, Einwände zu erheben, ganz und gar auf seiten meiner Braut. Sie ist es, der übel mitgespielt wird, und wir haben keinen Grund, ihr irgendwelche Mängel anzukreiden, schon gar nicht ihren Widerwillen gegen die Heirat."

"Wie immer machst du zuviel Aufhebens von den Gefühlen anderer Leute," versetzte der Fürst stirnrunzelnd. "Im übrigen verstehst du mich falsch. Ich habe grundsätzlich nichts gegen deine Braut einzuwenden. Sie gefällt mir sogar ausnehmend gut — so gut, daß ich fast glauben möchte, du hast sie mehr nach meinem Geschmack ausgewählt als nach deinem eigenen. Vermutlich hättest du keine bessere finden können. Es ist mir lediglich zuwider, daß diese ganze Angelegenheit plötzlich in eine von deinen Frauengeschichten umschlägt, und ich bin außerstande, mir einzureden, daß sie dadurch ein weniger düsteres Gesicht bekommt. Deine Frauengeschichten stehen ja — das ist jedenfalls mein Eindruck — höchst selten unter einem günstigen Stern." Er beobachtete, wie Don Raffaels Hand sich unwillkürlich zur Faust schloß, und sprach eilig weiter. "Das war von allem Anfang an so. Schon damals, als ich dich bei Hof einführte... Du warst gerade sechzehn Jahre alt und hattest noch kaum deine Unschuld verloren — da brachten die Hofdamen sich schon gegenseitig um bei dem Wettkampf, welche dich als erste in ihrem Bett haben würde."

"So schlimm war es gewiß nicht!" protestierte Don Raffael errötend.

"Es war so schlimm," widersprach der Fürst. "Maria dei Vadelli und Penelope Sebaldi starben, nachdem du sie jeweils ein paar Tage lang unübersehbar bevorzugt hattest. Sie waren beide noch nicht zwanzig Jahre alt, und beide waren sie am Morgen des Tages, an dem sie starben, noch kerngesund. Es ist mir nie gelungen herauszufinden, wer hinter der Sache steckte, und ich kann mir nicht helfen: ich habe seither jede Hofdame, mit der du dich eingelassen hast, für eine Giftmörderin gehalten."

Don Raffael saß eine Weile stumm da, mit zusammengepreßten Lippen, und betrachtete seine rechte Hand, die er noch mehrmals zur Faust ballte und mühsam wieder ausstreckte. "Es ist keinesfalls bewiesen, daß es sich wirklich um Giftmorde gehandelt hat," sagte er endlich, ohne den Blick zu heben, "und außerdem ist das eine alte Geschichte, an die ich nicht gern erinnert werde, schon gar nicht in dem Zusammenhang, von dem wir hier sprechen. Wollt Ihr mich zusätzlich beunruhigen?"

"Gewiß nicht. Ich wollte dir nur meine Bedenken erklären. Du scheinst diese Heirat für die harmloseste Lösung zu halten, und da kann ich dir nun einmal nicht beipflichten; übrigens kann ich auch die Frau, die du dir ausgesucht hast, beim besten Willen nicht harmlos finden. Ich wundere mich, daß du es tust. Vor nicht allzulanger Zeit hast du mir versichert, daß alle Musiker verrückt seien, und umso mehr, je begabter sie in ihrem Fach sind... Und soweit ich sehe, ist sich alle Welt über die hervorragende Begabung dieser Frau einig."

Don Raffael schüttelte lächelnd den Kopf. "Hattet Ihr denn den Eindruck, daß sie verrückt ist?" erkundigte er sich.

"Das kann ich nicht unbedingt behaupten," gab der Fürst zu. "Manches von dem, was sie sagte, klang vielleicht ein bißchen merkwürdig; aber selbst diese Äußerungen beweisen meiner Ansicht nach, daß sie eher zuviel Verstand besitzt als zuwenig. So hat sie mir zum Beispiel verraten, daß sie die Heirat mit dir vor allem deshalb ablehnt, weil sie an der hiesigen Musikakademie studieren und Unterricht geben möchte."

"Nun also —!" sagte Don Raffael bestürzt, "das hört sich ja wirklich an, als ob sie verrückt sei."

"Aber keineswegs! Im Gegenteil, ich halte es für eine ausgezeichnete Idee und für das Klügste, was sie im Lauf der Unterredung geäußert hat. Ich denke schon den ganzen Abend darüber nach, und es reizt mich ungemein, ihr diesen Wunsch zu erfüllen."

Don Raffael starrte seinen Bruder ungläubig an. "Aber das ist doch völlig ausgeschlossen!" protestierte er. "Wie stellt Ihr Euch das vor?"

"Natürlich ist es völlig undenkbar für die Tochter eines Pfarrkirchenkantors," räumte der Fürst ein, "aber für eine Fürstin von Orsino muß ja nicht das gleiche gelten. Es käme auf einen Versuch an, und ich habe beschlossen, daß du diesen Versuch unternehmen wirst. Ich habe deshalb bereits beim Stadtvorsteher in deinem Namen um eine Unterredung nachsuchen lassen. Du bist doch hier in Valanta so außerordentlich beliebt. Jetzt kannst du mir zeigen, wieviel diese Beliebtheit wert ist."

"Ich bin hier beliebt, weil ich es bisher vermieden habe, in irgendeiner Weise Ärgernis zu erregen," widersprach Don Raffael, "und was Ihr da von mir verlangt, ist sogar ein ganz gewaltiges Ärgernis."

"Das stört mich nicht im geringsten; und ich erwarte, daß es auch dich nicht stört. Bedenke doch! Welch einfache Möglichkeit, dir diese Frau beizeiten vom Hals zu schaffen! Früher oder später wirst du mir für einen solchen Ausweg dankbar sein."


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TAURIS
Roman von Pia Frauss
2. Der fürstliche Segen/S