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KAPITEL SCHLUSS |
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3 Catterinas |
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Balthasar Benocchio aber wurde von allen Seiten mit Komplimenten überhäuft; denn niemand zweifelte daran, daß Catterinas Können eine Folge seines Unterrichts sei; und so rechnete die öffentliche Meinung ihm zuletzt etwas als Verdienst an, das er, weit davon entfernt, es zu fördern, lediglich nicht hatte verhindern können. Zu allem Überfluß fiel er dieser Täuschung bald selbst anheim und entwickelte einen unmäßigen Stolz auf Catterinas Begabung, die er für einen Abglanz seiner eigenen hielt. Zahl und Rang der angesehenen Familien, welche es für eine Bereicherung ihrer Abendgesellschaften hielten, Balthasar Benocchio und seine Familie einzuladen, nahmen innerhalb weniger Monate auf spektakuläre Weise zu, und die Künste seiner Tochter öffneten dem Kantor von San Stefano manche Tür, die seiner eigenen simplen Person auf ewig verschlossen geblieben wäre. Damit begann aber auch eine neue Leidenszeit für Catterina: sie wurde allenthalben wie eine Jahrmarktsakrobatin präsentiert, und ihr Vater ließ jedesmal, wenn er eine Einladung erhielt, höflich nachfragen, ob es nötig sei, Catterinas Harfe mitzubringen. Entweder machte man sich dann mit einer Extra-Sänfte auf den Weg, in welcher das Instrument transportiert wurde, oder Catterina sah sich gezwungen, an Ort und Stelle mit der hauseigenen Harfe zu operieren, die sich in den meisten Fällen als schlecht gestimmt erwies. Es hätte noch schlimmer kommen können. Balthasar Benocchio erhielt eine Reihe von Anfragen des Inhalts, ob Catterina nicht vielleicht bereit sei, dieser oder jener jungen Dame aus gutem Haus — gegen ein Honorar, versteht sich — ihre Künste zu vermitteln. Grundsätzlich war Balthasar Benocchio der Ansicht, daß es weder seinem Ruf noch dem seiner Tochter zuträglich sein konnte, wenn er sie als Musiklehrerin in fremde Häuser schickte; er pflegte solche Aufträge deshalb gegen eine Provision an seine Schüler weiterzugeben. Aber es war nur dem Zufall zu verdanken, daß er von diesem Grundsatz nicht abwich. Denn zufällig fand sich unter den anfragenden Familien keine, die so hochadlig, wohlhabend oder einflußreich war, daß Balthasar Benocchio das Ansuchen nicht abzulehnen wagte; und ein derartiger Musikunterricht hätte fast unvermeidlich üble Konsequenzen nach sich gezogen. Woher hätte Catterina die Geduld nehmen sollen, den Launen einer verwöhnten, eingebildeten und höchstwahrscheinlich auch noch unbegabten höheren Tochter mit der erforderlichen Demut zu begegnen? Da sich eine solche Weiterung nie ergab, wurde Balthasar Benocchios Freude am Ruhm seiner Tochter lediglich durch den Umstand getrübt, daß sie nicht so leicht zu verheiraten war, wie er geglaubt hatte; aber zu dem Zeitpunkt, als Raffael de Roccaferrata in ihr Leben trat, hatte er die Hoffnung, eine passende Ehe für sie zu arrangieren, noch nicht so völlig aufgegeben, wie Catterina glaubte. Von ihrem aberwitzigen Wunsch, als erste Frau in der Geschichte Aufnahme an der Musikakademie zu finden, ahnte er nichts. Es war natürlich ausgeschlossen, daß er imstande gewesen wäre, ihr diesen Wunsch zu erfüllen, selbst wenn er ihn gekannt und unterstützt hätte. Aus ihrer notgedrungen eingeengten Perspektive heraus hielt Catterina die Position ihres Vaters für weit bedeutender, als diese tatsächlich war: sein Einfluß reichte keinesfalls aus, Prinzipien und Vorschriften umzustoßen, die Jahrhunderte hindurch niemals in Frage gestellt worden waren. Selbst diese Hoffnung trug allerdings nichts dazu bei, Catterinas Zorn und Abscheu zu mildern. Sie verachtete ihren Vater zu sehr, um ihn wirklich zu hassen, und zur Not hätte sie sogar den guten Willen aufgebracht, ihm die Mißhandlungen zu verzeihen, die er ihr zugefügt hatte. Es gab indessen zwei Dinge, die sie ihm niemals verzeihen konnte: das eine war die jahrelange Mißachtung und Unterdrückung ihres Talents und das nach wie vor aufrechterhaltene Verbot, auf seinem Cembalo zu spielen — ein umso unsinnigeres Verbot, als er sich in der Öffentlichkeit stets mit ihrem frühzeitig einsetzenden Cembalounterricht zu brüsten pflegte, wobei er obendrein jedermann in dem Glauben ließ, daß er selbst ihr diesen Unterricht erteilt habe —; das zweite aber war die Entschlossenheit, mit der er sich an der allgemeinen Verfemung Martin di Cabirezzos beteiligte. Der Fürst von Orsino täuschte sich nicht in Catterina, wenn er sie für einen äußerst loyalen Menschen hielt. Acht Jahre nach ihrer Verbannung aus seinem Haus galt ihre ganze Liebe und Anhänglichkeit unverändert ihrem Adoptivvater. Sie hatte gelernt, die Trennung von ihm zu ertragen; vergessen aber hatte sie ihn keineswegs. Dazu wäre sie auch dann nicht fähig gewesen, wenn sie in ihrem Elternhaus weniger katastrophale Verhältnisse vorgefunden hätte. Wie die Dinge aber lagen, wurde sie sich von Jahr zu Jahr mit schmerzlicherer Dankbarkeit der Güte bewußt, mit der er sie behandelt hatte. Sie dachte nie daran, ihm die verhängnisvolle Unterschrift anzukreiden, durch die er sie ihrem Vater auslieferte; und es gab kaum etwas, worunter sie mehr litt als unter der Unerfüllbarkeit des Wunsches, ihm das, was er für sie getan hatte, zu vergelten. Sie wußte nicht, was aus ihm geworden war; ja, sie wußte nicht einmal, ob er noch lebte, denn alle Versuche, Balthasar Benocchio danach zu fragen, hatten stets unverzüglich zu Wutausbrüchen und schließlich zu dem kategorischen Verbot geführt, den kompromittierenden Namen überhaupt irgendjemand gegenüber zu erwähnen. Niemand, so schärfte er ihr unter den schlimmsten Drohungen ein, dürfe davon erfahren, daß sie im Haus dieses Mannes gelebt habe; das könne seinem, Balthasar Benocchios, Ansehen gewaltig schaden; und mehr brauche sie nicht zu wissen. In ähnlicher Weise warnte er übrigens auch alle Mitglieder seiner Familie, die von Catterinas Vergangenheit wußten; die Tante wagte deshalb nie davon zu sprechen, selbst dann nicht, wenn sie mit Catterina allein war, und obwohl ihre Neugier sich häufig mit der Frage beschäftigte, wie man im Haus eines Hofmusikdirektors lebte, und wer dort alles anzutreffen gewesen war. Ihre Kenntnis der Vereinbarung, daß sie im Falle seines Todes Martin di Cabirezzos Erbin sein würde, beruhigte Catterina keineswegs; denn sie hielt ihren Vater zu Recht für einen Menschen, der imstande war, ein solches Erbe stillschweigend einzustreichen. Die Tatsache, daß Martin di Cabirezzo bekanntermaßen sein Gönner und Förderer war, hatte Balthasar Benocchio zu jener Zeit, als Catterinas Adoption rückgängig gemacht wurde, eine Reihe schlafloser Nächte verursacht. Seine Furcht, diese Verbindung könne sich nachteilig auf seine berufliche Laufbahn auswirken, nahm rasch geradezu krankhafte Ausmaße an. In der Folge tat er daher das Menschenmögliche, sich von dem gescheiterten Hofmusikdirektor zu distanzieren, und war fast der erste Akademieprofessor, der Martin di Cabirezzos Werke aus seinen Lehrplänen strich; und sein Wunsch, die Existenz dieses Menschen zu vergessen, war so übermächtig, daß er seinen Namen nicht einmal Catterina gegenüber in den Mund nahm. Zu guter Letzt betrachtete er sogar das Beharren auf einer eingeschränkten Rücknahme der Adoption als unselige Entscheidung. Er hätte liebend gern auf das zu erwartende Erbe verzichtet, wenn seine übertriebene Angst ihn nicht gehindert hätte, überhaupt an diese Dinge zu rühren. Die Berufung nach Valanta verschaffte Balthasar Benocchio endlich Gewißheit darüber, daß jene unrühmliche Episode im Leben seiner Tochter vergessen war — so sehr, daß er es zu Catterinas ständigem Ärger tatsächlich wagte, ihren beachtungheischenden zweiten Vornamen wiederaufleben zu lassen, als er sie in die Gesellschaft einführte; und erst Raffael de Roccaferratas Heiratsantrag stellte ihn unvermutet vor die beängstigende Frage, ob er die Adoption zu Protokoll geben solle oder nicht. Bezeichnenderweise entschied er sich dafür, sie zu verschweigen, da er der Meinung war, daß eine Ehe leichter zu verhindern als aufzulösen sei. In dem einundvierzig Seiten langen Ehekontrakt, der nach Don Raffaels Anweisungen von drei Notaren als Ergebnis fünftägiger Beratungen erarbeitet wurde, und der mit großer Ausführlichkeit auch noch die lächerlichsten Kleinigkeiten berücksichtigte, tauchte folglich der Name Martin di Cabirezzos gar nicht auf. |
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TAURIS Roman von Pia Frauss 3. Catterinas Väter/S |