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KAPITEL SCHLUSS |
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13 Aphrodite |
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"Liebste, Ihr habt Euch da in eine ausweglose Lage hineinmanövriert, von der ich nicht weiß, wie ich Euch mit einigem Anstand wieder heraushelfen soll! Habt Ihr Euch wirklich nicht denken können, daß Don Philipp sich eher die Ohren abschneiden würde, auf die er so stolz ist, als sich bei einer allseits in Ungnade gefallenen Hofdame zu entschuldigen? Und ich kann ihm keinen Vorwurf daraus machen, denn ich würde mich an seiner Stelle genauso verhalten. Merkt Euch das, Liebste: auf so simple Weise läßt sich niemand erpressen, der Roccaferrata heißt — es sei denn, er verfolgt eine geheime Absicht dabei!" "Wenn Ihr mich doch nie geheiratet hättet!" sagte Catterina mit Inbrunst. Sie hatte inzwischen entdeckt, daß sie machtlos war gegen die Tränen des Schreckens und des Zorns, die unmittelbar aus ihrer Seele in ihre Augen stiegen, und die Verzweiflung darüber, daß ihr Körper sich nun plötzlich von ihrem Willen nichts mehr befehlen ließ, steigerte ihre Angriffslust. "Ich bin es leid, beständig auf die Probe gestellt zu werden und beständig Fehler zu machen, und der Umgang mit diesen dummen Leuten ist weit weniger angenehm, als Ihr zu glauben scheint!" "Nun, ich bedauere sehr, daß Ihr so denkt," sagte Don Raffael und besaß die Herzlosigkeit zu lachen, "denn offenbar sind wir wieder einmal verschiedener Meinung! Ihr hättet mich heute abend fast dazu bekehrt, an eine höhere Fügung zu glauben! Wahrhaftig, wenn es nicht ein gnädiges Schicksal war, was mich gerade an dem bewußten Abend in Euer Vaterhaus geführt hat, so kann es nur ein ausnehmend glücklicher Zufall gewesen sein!" "Entweder macht Ihr Euch lustig über mich, oder ich verstehe nicht, was Ihr meint," zischte Catterina und versteifte sich in seiner Umarmung, die in unverminderter Enge fortbestand. Sie hatte von Anfang an den schwer beherrschbaren Impuls verspürt, sich gegen diese Umarmung zu wehren, die ihr weder freundschaftlich noch brüderlich noch zärtlich noch sonst in irgendeiner Weise begreifbar schien. "Liebste," sagte Don Raffael sehr ernst, "ich meine, daß Ihr heute abend mehr für mich getan habt, als ich je erwartet oder zu verlangen gewagt hätte! Ihr seid dabei nicht unbedingt geschickt vorgegangen, und man wird Euch wohl nicht nur haarsträubende Ungezogenheit vorwerfen, sondern auch, daß Eure Begriffe von weiblicher Schönheit recht seltsam sind, und daß Ihr naiv oder verliebt genug seid, der Geliebten Eures Gatten zu schmeicheln, und zweifellos ist die Lage so verfahren, daß auch Eure heldenhafte Aufopferung sie kaum verbessern wird — aber ich werde das, was Ihr heute abend getan habt, stets als einen unschätzbaren Loyalitätsbeweis in Erinnerung behalten, über dessen unerfreuliche Begleiterscheinungen zu streiten unwürdig und unnütz ist. Wir werden das irgendwie zurechtbiegen, und ich bitte Euch, vergeßt, was ich vorhin gesagt habe. Es war nicht als Vorwurf gemeint, sondern als wenig bedeutsame Randbemerkung." Diese Lobeserhebungen vermochten Catterina nicht zu besänftigen. Sie fühlte sich mißverstanden und litt gleichzeitig unter ihrer Unfähigkeit, das Mißverständnis aufzuklären. Als sie freundlich zu Bianca Barri war, hatte sie einem Drang ihres Herzens gehorcht und keineswegs beabsichtigt, Don Raffael einen Gefallen zu erweisen. Und nun wurde sie dafür belobigt, daß sie ihm einen Gefallen erwiesen hatte, indem sie freundlich zu Bianca Barri war! Das allein, fand Catterina, war Anlaß genug, ihre irregeleitete Gutherzigkeit zu bereuen! So würgte sie denn stillschweigend an ihrem Kummer und ließ den See auf dem Grund ihres ureigensten Tränentals zunehmend ungehindert überfließen. Auch Don Raffael blieb eine Zeitlang stumm. Catterinas Gemütsbewegung war ihm nicht verborgen geblieben; er hatte sich aber wohlweislich gehütet, darauf einzugehen: jeder Tröstungsversuch würde mit dem Eingeständnis verbunden sein, daß er das Übel zur Kenntnis nahm, und er hielt dafür, daß er auf diese Weise Catterinas Verwirrung nur vergrößern konnte. Und in der Tat: als er endlich doch eine erste zaghaft tröstende Geste machte, stieß Catterina ihn mit einem Laut des Abscheus zurück und versuchte sich unverzüglich seinen Armen zu entwinden. Auf eine so heftige Reaktion war Don Raffael trotz allem nicht gefaßt gewesen. Betroffen und gekränkt gab er Catterina frei und sagte frostig: "Verzeiht mir, Madonna, ich wollte Euch gewiß nicht lästig fallen! Es wird nicht wieder vorkommen!" An diesem Abend reichte Catterinas Mut gerade dafür aus, einen Angriff zu wagen; er verließ sie völlig, als es darum ging, den Folgen dieses Angriffs zu trotzen. Don Raffaels Ärger versetzte sie deshalb in panische Angst und bewirkte, daß sie unverzüglich zu weinen aufhörte. Sie hielt, fast ohne zu bemerken, was sie tat, seinen Arm fest und flüsterte verzweifelt: "Mein Herr — es war nicht — Ihr seid mir nicht lästig gefallen! Es ist — es ist nur, daß Ihr meine Kleider wieder in Unordnung bringen werdet — wie gestern abend, und daß — der Hohe Herr dann wieder glauben wird, wir hätten zur Unzeit — Dinge getan, die — die..." "Die zwischen Ehemann und Ehefrau jederzeit erlaubt und natürlich sind," vervollständigte Don Raffael, immer noch spürbar kühl, "stört Euch das so sehr, Liebste?" Hier erhob sich mit Macht und völlig überraschend ein Wirbelsturm über dem Tränental, der alle Ängste und Rücksichten in einem einzigen Augenblick beiseitefegte. "Ja!" sagte Catterina, laut und heftig, "ja! Es stört mich! Vor allem, mein Herr, stört es mich deshalb, weil dieser Verdacht mich zu Unrecht und als gänzlich Unschuldige trifft! Ich lasse mich nicht gern bestrafen für ein Vergehen, dessen Vorteile und Freuden ich nicht genossen habe! Und Ihr solltet mich nicht der Verachtung Eures Bruders aussetzen, wenn Ihr schon nicht gesonnen seid, mich in der angemessenen und einzig richtigen Weise dafür zu entschädigen!" Und da — endlich, endlich! — stellte Don Raffael die langerwartete, heißersehnte, nicht mehr für möglich gehaltene Frage. "Wollt Ihr denn in den Genuß dieser Freuden und Vorteile kommen, Madonna?" sagte er, "wollt Ihr es wirklich?" Er stellte seine Frage mit der gleichen kopflosen Unüberlegtheit, mit der sie beantwortet wurde. "Ja," sagte Catterina. Und erst nachdem sie von dieser Silbe entbunden war, die schon seit Tagen absprungbereit auf ihrer Zunge gelauert hatte, begriff sie, welche Entscheidung sie da gefällt und daß sie auf der luftigen Höhe ihrer Träume und Wünsche das Gleichgewicht verloren hatte. Sie sah den felsigen Boden der Wirklichkeit unausweichlich auf sich zustürzen und ahnte die Heftigkeit des Aufpralls voraus, und weil nun nichts mehr rückgängig gemacht werden konnte und durfte, wiederholte sie ihr Ja mehrmals, mit einem beschwörenden Unterton in der Stimme. Und dann überließ sie sich ohne Widerwillen einer neuerlichen Umarmung, die sie nicht mehr für feindselig halten wollte. "Nun denn," sagte Don Raffael aufatmend, seinerseits erleichtert über die Beendigung des quälenden Schwebezustands, und in der Gewißheit, daß dieser Augenblick vielleicht noch aufzuschieben, aber im Grunde unvermeidlich gewesen war. Dennoch, es war eine durchsichtige Erleichterung, in der ganz zuunterst ein unauflöslicher Bodensatz von Zweifeln und Gewissensbissen erkennbar blieb. "Nun denn, wenn Ihr es wirklich wollt, Madonna, dann soll es heute nacht geschehen. Ich verspreche es Euch, Madonna — heute nacht." |
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TAURIS Roman von Pia Frauss 13. Aphrodite/S |