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MITTE
TAURIS oder Catterinas Entjungferung
Ein ahistorischer Roman von Pia Frauss
 

Bianca Barri
     als Zankapfel


(Auszug aus Kap. 13)


 
 
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Nachdem sie diesen widrigen Punkt zur beidseitigen Zufriedenheit abgehandelt hatten, begannen sie weit weniger vorsichtig über Don Philipps Verhalten auf dem Hofball zu streiten, und Don Raffael erlebte die zweifelhafte Genugtuung festzustellen, daß seine Besorgnis im Hinblick auf die Folgen, die dieses Verhalten für Bianca Barri haben würde, nicht unbegründet gewesen war. Der König informierte ihn mit unverhohlenem Ärger davon, daß die Affäre bereits zahlreiche Weiterungen nach sich gezogen hatte: am vorhergehenden Nachmittag war der Fürst von Casta Riverda gemeinsam mit seinem Erben bei ihm vorstellig geworden und hatte eine formelle Beschwerde vorgebracht, die Beleidigung betreffend, welche Don Philipp seiner Tochter zugefügt habe. Don Philipp, so hatte er gefordert, solle entweder beweisen, daß es gerechtfertigt sei, mit dem Finger auf Bianca Barri zu zeigen, oder er solle sich entschuldigen! Wenig später war auch Laura Asturini an den König herangetreten; denn Bianca Barri beaufsichtigte seit sieben Monaten eine Gruppe vierzehn- bis sechzehnjähriger Mädchen aus den besten Häusern, die am Hof für ihre künftige Stellung in der Gesellschaft erzogen wurden, und die Herzogin fand es nicht ratsam, eine so übel beleumundete Dame auf einem so verantwortungsvollen Posten zu belassen. Zu guter — besser gesagt, zu schlimmer — Letzt hatte der König noch ein aberwitziges Bittgesuch des Astorre Barri erhalten, bei dessen Lektüre ihm nachgerade die Haare zu Berge gestanden seien! Dieser Astorre Barri müsse wirklich verrückt geworden sein! Hier überreichte der König Don Raffael das anstoßerregende Schriftstück, das er sich eigens zu diesem Zweck bereitgelegt hatte, und forderte ihn auf: "Seht Euch das selbst an und sagt mir, wie Ihr darüber denkt!"

Don Raffael stand geraume Zeit stumm da und starrte auf das Blatt Papier in seiner Hand hinab — bedeutend länger, als es dauerte, den Text zu lesen, der darauf geschrieben war: eine knapp und durchaus ehrerbietig formulierte Bitte um die Erlaubnis, Don Philipp zum Duell zu fordern. Kein Mann von Ehre, so behauptete Astorre Barri, könne den ungeheuerlichen, völlig ungerechtfertigten Schimpf tatenlos mitansehen, den Don Philipp der hochachtbaren Bianca Barri angetan habe, und er, Astorre Barri, fühle sich deshalb verpflichtet, seiner Schwägerin den Schutz angedeihen zu lassen, den sein verstorbener Bruder ihr nicht mehr bieten könne.

Während Don Raffael das Gesuch überflog, ließ der König ihn nicht aus den Augen; als er bemerkte, daß Don Raffaels Lippen sich ein wenig kräuselten, brachte er dieses Lächeln mit dem letzten Absatz der Bittschrift in Verbindung und sagte verächtlich: "Schutz! Daß ich nicht lache! Jedes Kind weiß, daß die ehrenwerte Bianca Barri, solange ihr Gatte lebte, keinen Schutz bei ihm fand, sondern eher jemand benötigt hätte, der sie vor ihm beschützte!"

Don Raffael antwortete nicht auf diesen Einwurf, ja, er schien ihn gar nicht wahrzunehmen. Der Brief, dessen ungelenke Schriftzüge ebenso wie zwei schlecht getilgte Tintenkleckse Zeugnis davon ablegten, daß er eine eigenhändige Hervorbringung seines Verfassers war, fesselte ihn offenbar so sehr, daß er ihn mehrfach las; und erst als der König ihn abermals aufforderte, sich zu äußern, sagte er stockend: "Nun, dieser Brief liefert zumindest eine faßbare Erklärung dafür, daß der Herzog von Arascona sich weigert, den Schreiber als sein Fleisch und Blut anzuerkennen! Anscheinend hat er einen viel besseren Sohn an ihm, als er überhaupt verdient."

"Ist das alles, was Euch dazu einfällt?" fragte der König unverändert empört, "dann nehmt zur Kenntnis, daß ich keineswegs die Absicht hatte, den Erbfolgeprozeß des Herzogs von Arascona mit Euch zu besprechen!"

"Um Vergebung, höchster Herr," versetzte Don Raffael, "ich wüßte nicht, worüber man hierbei sonst sprechen sollte! Der Prozeß erklärt das Zustandekommen des Gesuchs: da man ihm seine Rechte streitig macht, wird der Sior Astorre sich wohl gesagt haben, daß er ohnehin nichts mehr zu verlieren hat! Er ist zwar nicht weniger ungehobelt als die übrigen männlichen Vertreter der Familie Barri, aber im Gegensatz zu seinem verstorbenen älteren Bruder hat er sich bisher meines Wissens nie etwas Ehrenrühriges zuschulden kommen lassen. Und der Inhalt seiner Bittschrift entspricht so völlig meinen eigenen Gefühlen und Wünschen, daß ich mich nicht entschließen kann, ein Zeichen von Verrücktheit darin zu erblicken."

Falls es Don Raffaels Absicht gewesen war, seinen Gesprächspartner mit dieser Antwort zu besänftigen, hatte er sein Ziel gewiß verfehlt. Der König war erst einmal sprachlos vor Zorn und sagte dann heftig: "Was ich eigentlich von Euch wissen wollte, war folgendes: durch welche Teufelskünste bringt diese rothaarige, hinkende Ausgeburt der Hölle es zuwege, daß vernunftbegabte gestandene Männer keine Scheu tragen, sich ihrzuliebe zum Narren zu machen? Und Don Philipp ist schließlich nicht der einzige, der behauptet, daß Ihr besser als jeder andere Mann darüber Bescheid wißt!"

Wie erhofft stellte dieser Vorwurf Don Raffaels Selbstbeherrschung vor eine unlösbare Aufgabe. Er wurde blaß, knirschte hörbar mit den Zähnen und ließ sich dann sogar zu einer sehr unklugen Antwort hinreißen. "Höchster Herr," sagte er so leise, wie er stets sprach, wenn seine Gefühle den Siedepunkt erreicht hatten, "die Tugenden dieser Dame sind so zahlreich, daß ich Eure Zeit gewiß über Gebühr beanspruchen würde, wenn ich versuchte, sie Euch einzeln aufzuzählen! Vielleicht genügt es aber, wenn ich Euch den geringsten ihrer Vorzüge nenne! Er besteht darin, daß sie niemals ungerechtfertigt Böses über ihre Mitmenschen spricht — obwohl die landläufige Meinung doch gerade dies für eine kennzeichnende weibliche Eigenschaft hält!"

Der König konnte sich nicht erinnern, daß ihm während der gesamten Dauer seiner Amtszeit ein Mensch ähnlich unverschämt entgegengetreten war — jenen unglücklichen Sior Giustiniani ausgenommen; aber der hatte schließlich auch, wie es sich gehörte, unverzüglich mit seinem Leben für seine Kühnheit bezahlt! Er starrte seinen Neffen deshalb eine Weile mit emporgezogenen Augenbrauen an, während dieser sich erschrocken bewußt wurde, daß er der Dame, deren Interessen er verteidigen wollte, soeben einen Bärendienst erwiesen hatte. Es war eine Folge von höchst ungemütlichen Momenten, die nur deshalb nicht mit einem Eklat endete, weil der König bestrebt war, vorerst jeden offenen Konflikt mit Don Raffael zu vermeiden. "Ihr könnt nicht leugnen," sagte er zuletzt, "daß Ihr mit dieser tugendhaften Dame wenigstens ein Jahr lang ein Verhältnis gehabt habt, das sich, wenn man der Wahrheit die Ehre gibt, nicht anders als eheähnlich nennen läßt."

"Ich leugne es," erwiderte Don Raffael mit Entschiedenheit.

Der König gab ein ärgerliches Auflachen von sich. "Nun, glücklicherweise bin ich über diese Sache nicht schlechter unterrichtet als der Rest der Welt! Ihr habt Euch ja auch, solange sie dauerte, nicht im geringsten bemüht, sie geheimzuhalten. Ich weiß sogar, daß die ehrenwerte Bianca Barri, bevor sie ihr ehebrecherisches Verhältnis mit Euch begann, sich nicht scheute, jeden Domestiken, der ihr gerade über den Weg lief, hinter jeder Tür zu beglücken, die sich gerade anbot! Und ich weiß außerdem, daß die Tochter, die sie nach dem Tode ihres Gatten zur Welt gebracht hat, blond und blauäugig ist!"

"Höchster Herr," widersprach Don Raffael, "es gibt in diesem Land eine Menge blonder und blauäugiger Kinder, deren Vater zu sein ich nicht die Ehre habe! Im übrigen bitte ich Euch im Interesse der Gerechtigkeit, nicht jeder Verleumdung blindlings Glauben zu schenken."


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TAURIS
Roman von Pia Frauss
13. Aphrodite M