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SCHLUSS
TAURIS oder Catterinas Entjungferung
Ein ahistorischer Roman von Pia Frauss
 

23    Das
               Damenopfer


 
 
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Als sie den ersten Teufel ins Feuer legte, sagte Catterina deshalb: "Der ist für die kleine Sanna. Möge sie bald zu Kräften kommen, den Verlust ihrer Eltern verwinden und mehr Freude an ihrem neuen Leben haben, als sie sich jetzt vorstellen kann." Den zweiten Teufel widmete sie Martin di Cabirezzo — "möge er bald wieder Grund haben, sich über angenehme Seiten des Lebens zu freuen" — und den dritten wie vorgesehen Maria Morosini: "Möge sie wirklich ihr Glück in der Ehe mit dem Mann finden, von dem sie es sich erhofft."

"Möge es überhaupt eine Ehe geben," sagte Don Raffael seufzend und reichte Catterina die Figur, die er für sich ausgewählt hatte. "Nun, Liebste, was wünscht Ihr mir?"

"Viele Kämpfe, die Euch Freude machen, und daß Ihr sie alle gewinnt."

"Ich wünsche mir nur einen. Heute übers Jahr möchte ich ein Neujahrsturnier gewinnen! Aber, Liebste, wenn ich das Spiel richtig verstehe, dann dürft Ihr, solange die Figur brennt, auch einen Wunsch an mich richten."

"Den habe ich heute nacht schon genannt," sagte Catterina. "Vertrauen. Ich weiß keinen anderen." Sie bedauerte ein wenig, daß sie nicht auch die Masken ins Feuer werfen konnte; bei diesem Neujahrsfest wäre es ihr als der bedeutungsvollste und glückverheißendste Teil der Zeremonie erschienen. Aber die Masken waren schon am Vorabend verbrannt worden.

Don Raffael stand auf. "Da Ihr so bescheiden seid, erlaubt Ihr mir vielleicht, Euch einen Wunsch zu erfüllen, den Ihr nie geäußert habt." Er holte die zweite Aktenmappe von dem Tisch, auf dem er sie abgelegt hatte, und drückte sie Catterina in die Hand. "Das, Liebste, ist Baia'Ncî. Ihr müßt nur noch unterschreiben; dann gehört es Euch."

"Unmöglich!" protestierte Catterina. "Ich kann das nicht annehmen."

"Ihr habt es nicht verdient, ich weiß! Verzeiht mir, wenn ich das anders sehe. Zum mindesten könntet Ihr dieses Haus annehmen als Entschädigung dafür, daß ich Euch zwinge, das neue Jahr gleich mit einer Lüge zu beginnen; erinnert Ihr Euch noch an den kleinen Streit, den wir dereinst hatten, als ich Euch sagte, daß ich Euch für die himmlischen Güter, die ich Euch raube, nur mit irdischen entschädigen kann?"

"Da habt Ihr Euch auch getäuscht."

"Wie Ihr meint, Liebste; was haltet Ihr dann von ein paar praktischen Gründen? Wenn Ihr das Papier durchlest, werdet Ihr feststellen, daß ich mir ein vierwöchiges Besuchsrecht pro Jahr auf Lebenszeit vorbehalten habe; mehr Zeit würde ich in diesem Haus auch dann nicht verbringen, wenn es mir gehörte. Und noch eines! Sollte wirklich das Schlimmste zum Schlimmen kommen, ist das Haus bei Euch besser aufgehoben. Was ich Euch geschenkt habe, kann man mir nicht mehr wegnehmen. Und es gefällt Euch doch?"

"Sehr sogar," gab Catterina zu und blickte sich um in der Gewißheit, daß sie sich niemals an den Gedanken gewöhnen würde, diese Pracht zu besitzen. "Ich nehme es an und werde es weiterhin für Euer Eigentum halten." Dann betrachtete sie den Teufel im Kamin, an dem die Flammen leckten, ohne sich bisher festgebissen zu haben. "Ich wünsche mir also von Euch viele gemeinsame Nächte in diesem Bett."

"Es freut mich, daß wir uns in diesem Punkt einig sind," sagte Don Raffael und legte Catterinas Teufelsfigur behutsam neben seine eigene. "Denn ich, Liebste, wünsche Euch, daß Euch für alle Zukunft kein schlimmeres Unglück mehr zustoßen möge als das der vorletzten Nacht, und von Euch wünsche ich mir vor allem eines: Dauer. — Laßt es mich erklären. Natürlich suche ich ab und zu gern ein bißchen Abwechslung in fremden Betten und werde Euch keinen Vorwurf machen, wenn Ihr das ebenfalls tut; aber wenn ich eine Frau in mein eigenes Bett aufnehme, dann möchte ich, daß sie dort zuhause ist. Ich möchte mich nicht jeden Morgen beim Aufwachen fragen müssen, ob sie am Abend noch da sein wird."

"Ich weiß nicht, ob ich mit meiner Fünfjahresfrist die geeignete Person für ein solches Anliegen bin."

"Diese Fünfjahresfrist steht nur auf dem Papier. Es liegt in Eurem Ermessen, was Ihr daraus macht. Ich verlange nicht, daß Ihr auf Euer Recht, sie einzuklagen, verzichtet. Ich verlange auch nicht, daß Ihr einen der Wechselfälle des Schicksals ausschließt, die eine Ehe jederzeit beenden können. Alles, worum ich Euch bitte, ist die Sicherheit, daß Ihr auf den Fortbestand unserer Ehe Wert legt."

"Ich hätte nicht gedacht, daß ich Euch das erst ausdrücklich beteuern müßte. In dieser Hinsicht dürft Ihr allenfalls befürchten, daß Ihr mich bald anhänglicher finden werdet, als Euch lieb ist. Heute kann ich sogar mit gutem Gewissen sagen, ich würde gern die Ewigkeit mit Euch teilen."

"Selbst wenn die Ewigkeit so aussieht?" fragte Don Raffael lachend und wies auf die flammenumzüngelten Holzfiguren.

"Selbst dann."

Während die beiden Teufelchen auf dem Rost einträchtig Feuer fingen, saßen Catterina und Don Raffael vor dem Kamin und waren zu sehr damit beschäftigt, sich zu küssen, um den Vorgang zu beobachten. Beide Figuren hatten bereits Risse bekommen und begannen von innen heraus rot zu glühen, als Don Raffael bemerkte: "Ich glaube, Ihr habt vergessen, einen Wunsch für Euch selbst auszusprechen."

"Das ist einfach," sagte Catterina. "Ich wünsche mir, daß ich das Leben in Zukunft weniger schwer nehme." Sie hob den letzten Teufel vom Boden auf und küßte ihn auf das zähnefletschende Maul. "Was bleibt für Don Francesco? Ich sehe nur Wünsche, die er sich entweder längst erfüllt hat, oder die unerfüllbar sind."

"Vielleicht wäre es für ihn, für uns und für alle Welt das beste, ihm zu wünschen, daß seine Wünsche nicht in Erfüllung gehen."

"Das klingt zu feindselig," widersprach Catterina. Sie trennte sich ungern von dem Teufelchen, das sie in ihren Armen zur Festung getragen hatte, und war nicht gewillt, es mit einem bösen Gedanken ins Feuer zu legen. Da ihr jedoch nichts Passendes einfiel und Don Raffael keinen weiteren Vorschlag beisteuerte, besann sie sich schließlich auf die Taufgebete. Am Vorabend hatte sie nichts davon verstanden, gewiß; aber in den vergangenen Jahren hatte sie diese Gebete oft genug gehört. Sie kannte die Segensformel auswendig, welche man gern daraus entlieh, um sie auf kleine Kinder anzuwenden, die sich bei der Teufelsverbrennung noch nicht selbst äußern konnten. "Lieber Don Francesco," sagte sie daher lächelnd, als sie ihren Schutzgott zärtlich den Flammen übergab, "möget Ihr auf all Euren Wegen in Rechtschaffenheit und Gottesfurcht wandeln. Möge es Euch an nichts mangeln. Möge alles, was Ihr tut, Euch und Euren Mitmenschen Segen bringen. Möget Ihr Dankbarkeit und Liebe für Eure Taten ernten und nie in die Fallstricke des Bösen geraten. Möge Gott Euch ein langes Leben in Freude und Zufriedenheit gewähren und am Ende einen sanften Tod."

F I N I S



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TAURIS
Roman von Pia Frauss
23. Das Damenopfer/S